Redebeitrag von Rainer Böhme zur Elblandphilharmonie

Rainer Böhme

Sehr geehrter Herr Landrat, meine Damen und Herren Kreisräte, werte Gäste,

da mir als Gelegenheitsmusiker das Schicksal der Berufsmusiker, über die wir hier reden, sehr am Herzen liegt, und nicht nur mir, sondern unserer gesamten Fraktion, möchte ich / möchten wir diesen Beschlusspunkt nicht nur mit einem einfachen „Zustimmung“ durchwinken. Ich hoffe, dass unter den letzten Gästen zu so später Stunde noch einige Musiker aus dem Orchester anwesend sind.

Ja, wir werden diesem Beschluss zustimmen, obwohl wir wissen, dass das wieder ein Kompromiss ist, eine Kröte, die man schlucken muss. Der vorgesehene bessere Haustarifvertrag liegt eben immer noch unter dem Flächentarifvertrag. Und der müsste eigentlich angestrebt werden. Ich komme darauf noch zurück.

Meine Damen und Herren Kreisräte, werte Gäste, wenn ich die Frage stellen würde, wer von Ihnen im Zeitraum von 2012 – 2018 k e i n e Einkommenserhöhungen erhalten hat oder noch erhalten wird – egal ob im öffentlichen Dienst, in der Privatwirtschaft, im gemeinnützigen oder sozialen Bereich oder auch als Rentner – es würden vermutlich alle Arme unten bleiben.

Wenn wir diese Gegenfrage den Musikern der Elbland-Philharmonie Sachsen stellen würden, wären dagegen alle Arme oben.

Ein kurzer Rückblick für die, die einst frühere Entscheidungen mit getroffen haben und eine Information für die, denen die Orchesterentwicklung nicht so im Detail bekannt ist.

Das heutige Orchester basiert genau genommen auf 4 Orchestern, die nach dem 2. Weltkrieg in unserem heutigen Verantwortungsbereich entstanden waren: Die Orchester in Pirna und Riesa, das Orchester der IG Wismut und das Orchester der Landesbühnen.

Und nun gleich ein Sprung in die 90iger Jahre. Im Jahre 2001 kam es zur freiwilligen Fusion des Sinfonieorchesters Pirna und der Elbland Philharmonie in Riesa zur „Neuen Elbland Philharmonie“. (Welche äußeren Zwänge im Freistaat Sachsen diese „Freiwilligkeit“ bewirkten, wollen wir hier nicht erörtern.)

Fest steht, dass im Zuge von Sparmaßnahmen bei der Kultur in Sachsen, das zu dieser Zeit immerhin große Orchester ca. ein Drittel seiner Musiker entlassen musste, was zumeist  über Abfindungen erfolgte.

Dann musste in der Kultur wie auf anderen Gebieten weiter rationalisiert, d. h. weiter Geld gespart werden. Die Landesregierung löste deshalb das Orchester der Landesbühnen auf. Ziel war es, die Musiker in die „Neue Elbphilharmonie“, Sitz Riesa einzugliedern.

Das geschah dann auch. Nur wer dabei war, kann die damalige Krisensituation ermessen.

In diesem Gremium  hier (also dem Kreistag) haben wir darum gekämpft, dass die Anzahl der Musiker bzw. der Planstellen wenigsten nicht unter 86 sinken darf. Denn es war nun eine „Doppelbespielung“ durch das neue Orchester mit dem Namen „Elbland-Philharmonie-Sachsen“ erforderlich. D. h. das Orchester muss weiter die Musik für Opern, Operetten, Tanz und anderes an der Landesbühne absichern und gleichzeitig Orchesteraufführungen in der Fläche, also in den Landkreisen Meißen und Sächsische Schweiz ´- Osterzgebirge gewährleisten.

Die Zahlen dazu liegen ja mit der Antwort auf die Anfrage des Kollegen Wätzig und der Zuarbeit von Frau Hille auf dem Tisch. 2016 hat es ja mit fast 300 (298) Auftritten des Orchesters eine weitere Steigerung der Veranstaltungen und der Konzertbesucher gegeben. Sowohl im Musiktheater der LBS als auch als Konzertorchester. Das verdient unsere Hochachtung. Man fragt sich, wie Management und Musiker das überhaupt geschafft haben. Viele Auftritte mit sehr verschiedenen Werken erfordern ja eine intensive Probenarbeit, im Orchester, aber mehr noch individuell zu Hause.

(Trotzdem muss ich noch einmal darauf hinweisen, dass weniger Orchester und weniger Musiker – wegen weniger Geld - natürlich auch weniger Möglichkeiten haben. Allein das einstige Sinfonieorchester Pirna hat jährlich ca. 115 Konzerte gegeben. Und da war es nur eins von 3 damals existierenden Orchestern.)

Zurück zur Gegenwart heißt heute: Mehr Aufgaben, in größerer Fläche, mit abgesenkter Arbeitszeit und z. T. abgesenktem Gehalt.  Die Musiker der Landesbühnen mussten z. B. eine Abstufung der Orchester-Gehaltsstufe von B nach C in Kauf nehmen. Die Musiker, die ehemals zu Riesa gehörten, erhielten immerhin eine Aufwertung von der Stufe D nach C.

Allerdings reichte das vorhandene Geld bei den vereinbarten 86 Musikern nicht für den Flächentarifvertrag lt. TVK (das ist der Tarifvertrag für Kulturorchester). Es musste also ein Haustarifvertrag ausgehandelt und abgeschlossen werden.

Gestatten Sie, dass ich kurz aus einem „Gutachten über die Theater und Orchester im Freistaat Sachsen“ aus dem Jahre 2007 zitiere, das aber auch heute, 10 Jahre danach volle Gültigkeit besitzt:

Der erreichte hohe Grad an Leistung sowie an gesellschaftlicher Wirksamkeit und Anerkennung (der Theater und Orchester) verdeckt in der Öffentlichkeit weitgehend die gravierenden finanziellen Probleme der Einrichtungen, lässt Bürger und Politiker darüber hinwegsehen, dass Qualität und Quantität der künstlerischen Angebote nur noch durch zum Teil erheblichen Selbstverzicht der Mitarbeiter erreicht werden.

Der Verzicht auf das 13. Monatsgehalt und das Urlaubsgeld stellt an den sächsischen Theatern und Orchestern mittlerweile den Regelfall dar. Darüber hinaus wird bei vielen Einrichtungen über die

Haustarifverträge bereits die laufende Vergütung erheblich gekürzt.

So erreicht die Absenkung in den laufenden Haustarifverträgen gegenüber dem Flächentarif u. a. bei der Neuen Elbland Philharmonie 25 %.

Das Angebot von Lohnkürzungen mit Freizeitausgleich zu kompensieren, erweist sich für den Theateralltag zumeist als problematisch ,,,.

Obwohl der Abschluss der Haustarifverträge meistenteils mit Einschränkungen der Arbeitszeit und der Dienstfähigkeit verbunden ist, wird er doch von Politikern, Beschäftigten und Tarifpartnern vor

allem als letzter Rettungsanker zur Sicherung von Existenz, Leistung und Arbeitsplätzen gesehen und genutzt. Dabei wird eine kurz- bis mittelfristige Problemlösung geschaffen und längerfristig auf das Prinzip Hoffnung gebaut. Das entscheidende Problem der Haustarifverträge besteht darin, dass sie nicht zukunftsfähig sind, denn weder lassen sich die Absenkungen der Vergütungen beliebig

fortsetzen, noch wird mit immer größeren Abständen zum Flächentarif eine Rückkehr zu normalen Tarifverhältnissen finanziell jemals realisierbar.

Dennoch entsteht bei Rechtsträgern und Politikern vielfach der Eindruck, dass durch die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter und die Improvisationsfähigkeit in den Häuser dies der

Normalzustand wäre, unter dem Theater und Orchester weiterhin arbeiten können. Dem ist nicht so.“ (Ende des Zitats)

Wenn hier an der Notwendigkeit gezweifelt wird, den Musikern mit Geld aus dem Kreishaushalt endlich zu höheren Gehältern zu verhelfen, so muss ich bestätigen, es ist tatsächlich noch keiner verhungert, aber die schreiende Ungerechtigkeit muss doch endlich wenigstens etwas abgebaut werden.

Im Haustarifvertrag der Elbland-Philharmonie Sachsen ist noch vorsorglich verankert, dass für die betroffenen Orchestermusiker zwischen dem 01.01.12 und dem 31.07.18 keine Erhöhungen zur Anwendung kommen, die im Flächentarifvertrag ggf. ausgehandelt werden.

Von 2012 bis 2018 wird ein Gehalt gezahlt, das dem Tarifvertrag von 2009 entspricht.

Da sind wir wieder bei meiner Fragestellung vom Anfang.

Für diese Leistungen unter erschwerten Bedingungen hat der Einsatz der Mitglieder der „Elbland-Philharmonie-Sachsen“ unser aller Würdigung und theoretisch auch einen Applaus verdient.

Da das auch praktisch erfolgt – zumindest von meiner Fraktion-, sollten Sie, Frau Gotthardt, als Geschäftsführerin das auch Ihren Kollegen übermitteln.

Die im Beschluss und der Grundsatzvereinbarung vorgesehene Erhöhung der finanziellen Mittel für das Orchester stellt also ein Minimum dar, denn es wird trotzdem nicht das Niveau des Flächentarifvertrages erreicht.

Den Zuschuss künftig über den Kulturraum an das Orchester zu zahlen stimmen wir natürlich auch zu. Insgesamt ist unsere Zustimmung, wie bereits gesagt, ein Kompromiss.

Das Ziel muss letztlich die Abschaffung eines Haustarifes und die Bezahlung nach Flächentarif sein.

Wir wissen aber eben, dass das mit den vorhandenen Mitteln nicht möglich ist.

Nun fällt diese Entwicklung ja nicht wie der Schnee in diesem Winter ohne das Zutun verantwortlicher Politiker vom Himmel.

Bei einem Zuwachs des Landeshaushaltes 2017 um 1,3 Mrd. € wachsen die Ausgaben für Kunst und Kultur um 12,6 Mill. €, also ganze 0,96 %.

Der Anteil der gesamten Kulturausgaben des Landes am Haushalt sinkt ständig.

Die von unserer Landtagsfraktion beantragte Erhöhung des Kulturetats um 20 Mill. €  (nicht 12,6) würde die Kulturräume endlich in die Lage versetzen, nicht ständig über „Strukturmaßnahmen“ nachdenken zu müssen, die am Ende in Streichungen von Sparten und Schließung von Institutionen münden. Dann könnten auch die Haustarifverträge beendet werden, die Kulturräume könnten einmal Luft holen und Neues ermöglichen.

Die Parteien und ihre Landtagsfraktionen sind also aufgefordert, ihrem Verständnis für die Wichtigkeit von Kunst und Kultur Taten folgen zu lassen.

Aber auch an die Kunst – und Kulturschaffenden appellieren wir, ihren berechtigten Forderungen lauter und mit Nachdruck Gehör zu verschaffen.                

 

Danke für die Aufmerksamkeit!